Digitaler Zwilling für Offenburg zeigt Zukunft der Infrastrukturplanung

Case Study

Digitale Zwillinge heben die Planung von Bahnstrecken auf ein vollkommen neues Niveau. Wie groß die damit verbundenen Vorteile sind, zeigt das Projekt Offenburg, bei dem tmc, Expertin der Digitalisierung der Bahn, eine Strecke von 50 km vollständig digital umsetzte.

Die Kapazitäten auf der schon heute stark frequentierten Strecke zwischen Karlsruhe und Basel sollen erhöht werden. Ziel der DB Netz AG ist ein viergleisiger Ausbau, teilweise auch eine Neuerrichtung. Ein Teilabschnitt der Strecke verläuft zwischen Appenweier und Lahr, zu dem auch der 11 km lange Tunnel Offenburg gehören wird. Hier ist Obermeyer, eine von Deutschlands größten Ingenieurgesellschaften, für die Planung zuständig. Um dafür die innovative BIM-Methodik (Building Information Modeling) nutzen zu können, sollte ein digitaler Zwilling von insgesamt 50 km Gleis erstellt werden. Den Auftrag dafür erhielt Track Machines Connected (tmc), die Digitalisierungsexpertin der Plasser-Gruppe.

Der digitale Zwilling zeichnet sich mit seiner durchschnittlichen absoluten Genauigkeit von 2 cm aus. Alle künftigen Planungen können damit vom Bildschirm aus erledigt werden.

Projektdaten

  • Projektbeschreibung:
    Streckendigitalisierung
  • Einsatzland:
    Deutschland
  • Infrastruktur-Betreiber:
    Deutsche Bahn
  • Streckenlänge:
    50 km
  • Maschinen im Einsatz:
    EM100VT

Messfahrzeug EM100VT braucht nur acht Messfahrten

tmc setzte im April 2021 für die Erfassung der erforderlichen Daten das Messfahrzeug EM100VT von Plasser & Theurer ein. Dieses wurde mit neuesten Messsystemen ausgestattet und verwendet unter anderem drei 360°-Rotationsscanner (2D-Scanner) und zwei hochauflösende Farbkameras. Damit waren für die Messfahrten mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h zwei Tage nötig, wobei der zweite Tag als Backup diente. Durch Ausnützen der Taktlücken gab es keine nennenswerten Beeinträchtigungen des Regelverkehrs. Zum Vergleich: Mit konventionellen Messmethoden hätte die Datenerhebung mindestens drei Wochen erfordert.

Durchschnittliche Genauigkeit von 2 cm ermöglicht komplette Planung am Bildschirm

Die Messfahrten lieferten insgesamt 5 Milliarden Punkte und 62.826 Farbfotos, das entspricht rund 100 Millionen Punkten und 1.250 Fotos pro Gleiskilometer. Um diese enorme Datenmenge auszuwerten und in das digitale Bestandsmodell zu integrieren, benötigte tmc etwa elf Wochen. Am Ende des Projekts verfügte Obermeyer über einen vollständigen, geografisch hoch-präzise verorteten, digitalen Zwilling der Strecke. Dank der durchschnittlichen absoluten Genauigkeit von 2 cm ist es damit möglich, sämtliche Planungen durchzuführen, ohne in den laufenden Betrieb einzugreifen.

Enorme Kostenvorteile sprechen für innovative Methode

Experten sind sich einig, dass dieses Projekt eine neue Ära in der Planung von Bahninfrastruktur einläutet. Es geht nicht nur um eine deutliche Beschleunigung der Planungsabläufe, sondern auch um enorme Preisvorteile. So liegen die Kosten der Initialmessungen mit dem EM100VT bereits unter den Kosten manueller Messmethoden. Aufgrund der hohen Geschwindigkeiten der Messfahrten entfallen zusätzlich die Kosten für Gleissperren und Gleissicherungen. Und schließlich entstehen auch keine Kosten für Nachmessungen, die üblicherweise für zusätzliche Daten oder aufgrund manueller Messfehler erforderlich wären. Bei Obermeyer geht man davon aus, dass damit die Grundlagen für den alltagstauglichen Einsatz und die nachhaltige Weiterentwicklung der BIM-Methodik geschaffen wurden. Eine Zeitenwende in der Planung von Bahninfrastruktur, in der tmc eine wesentliche Rolle spielt.